Liebe Freund*innen,
Liebe Kommiliton*innen,
anbei findet ihr eine Stellungnahme des SDS.dielinke Marburg zur
aktuellen Situation der Marburger Hochschulpolitik.
Solidarische Grüße
Euer SDS.dielinke Marburg
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Studierendenparlamentssitzung findet trotz physischer Anwesenheit nicht
statt – AStA nach wie vor politisch handlungsunfähig
Mit Bedauern haben wir zur Kenntnis genommen, dass die letzte Sitzung
des Studierendenparlaments trotz genügend anwesender
Parlamentarier*innen nicht stattgefunden hat. Aus uns nicht erklärlichen
Gründen wurde es unterlassen , sich in ausreichender Zahl in die
ausliegenden Anwesenheitslisten einzutragen, damit die Sitzung eröffnet
werden konnte. Jene wurden wie gewohnt vom Parlamentsvorstand ausgelegt.
Merkwürdigerweise war dieser nur zu einem Drittel besetzt, d.h. also
nicht beschlussfähig und insofern auch formal nicht in der Lage die
Beschlussunfähigkeit festzustellen.
Wir fragen uns, aus welchen Gründen hier anscheinend bewusst einer
Auseinandersetzung mit dringlichen – auch die Studierendenschaft
betreffenden – politischen Fragen aus dem Wege gegangen wird.
Seit nunmehr einem halben Jahr stehen wir vor der Situation, dass eine
ganze Reihe von (vom Studierendenparlament als wichtig und relvant
befundenden) politischen Anliegen und Beschlüsse offenbar systematisch
verschleppt und/oder im politischen Alltagsgeschäft schlicht ignoriert
werden. Was ist mit der derzeitigen AStA-"Koalition der Unwilligen"
bestehend aus Jusos, Fachschaftspower, CampusGrün und Rosa Liste im AStA
los? Sie scheint sich, so der sich aufdrängende Eindruck, gänzlich auf
ein "Verwalten" bestehender Strukturen beschränken zu wollen und das,
obwohl sich in den letzten Jahrzehnten immer alle auch nur halbwegs
progressiven Studierendenvertreter*innen einig darüber waren, dass ein
reiner "Service-AStA" kein progressiver AStA sein kann. Dafür bedarf es
aber aktiver politischer Aktionen und Arbeit für und mit den
Studierenden, um ihnen eine Stimme in der politischen Landschaft zu
geben. Dies scheint die bestehende AStA-Koalition, ohne es tatsächlich
auszusprechen, jedoch anders zu sehen. Vielmehr spricht ihre Untätigkeit
Bände. Ihr ohrenbetäubendes Schweigen zu politisch relevanten
Fragestellungen in Universität, Studentenwerk und Stadt nützt niemanden,
insbesondere den Marbuger Studierenden nicht. Und dieses Verhalten wird
der demokratischen Partizipation in der Studierendenschaft, sei es in
Gremien oder bei Wahlen, absehbar massiv schaden.
Nach tiefgreifenden Differenzen bei den Koalitionsverhandlungen im
Oktober 2016 sind wir als SDS.dielinke nach vorhergehenden vielen Jahren
aktiver hochschulpolitischer Partizipation in dieser Legislatur nicht
Teil der AStA-Koalition. Entsprechend bleibt uns auch bei den nächsten
StuPa-Sitzungen nicht mehr übrig, als die dringenden Fragen
studentischer Politik im Studierendenparlament mittels Anfragen und
Anträgen auch weiterhin auf die Agenda zu setzen. Einige der
drängendsten Fragen wollen wir hier formulieren:
– Warum hat der AStA die nicht zuletzt angesichts des gesellschaftlichen
Rechtsrucks extrem wichtige Arbeit im Feld des Antifaschismus völlig
eingestellt?
– Wo bleibt die aktive Vertretung von uns Studierenden gegen die
städtischen Sparmaßnahmen in der Infrastruktur, im Wohnungsbau und der
Gebührenerhöhungen bei der Kinderbetreuung? Warum hat der AStA sich
nicht, oder nicht wahrnehmbar, wie vom Studierendenparlament
beschlossen, an den städtischen Protesten gegen die neoliberale
Haushaltspolitik der neuen schwarz-roten Stadtkoalition beteiligt?
– Was ist aus dem historischen Aufarbeitungsprozesses zur Umsetzung und
praktischen Handhabe des „Erlasses zur Beschäftigung von Radikalen im
öffentlichen Dienst“ (Radikalenerlass) geworden, den das
Studierendenparlament unlängst beschlossen hat?
– Welche Folgen hatten die Solidaritätserklärungen des
Studierendenparlaments mit den Studierendenprotesten in Baden-Würtemberg
und Brasilien? Welche Folgen hatte die Iniative des
Studierendenparlaments gegen Studien- und Rückmeldegebühren infolge der
neuerlichen Aktionen der baden-württembergischen Landesregierung und
eines entsprechenden Urteils des BVerfG bezüglich des BbgHG im Januar?
Warum ist in diesen Fragen entgegen der Beschlusslage bis zum heutigen
Tag von Seiten des AStA nichts geschehen?
– Warum hat der AStA bzw. die Studierendenschaft, wie ebenfalls vom
Studierendenparlament beschlossen, keine Solidaritätserklärung mit
Andrej Holm im jüngst zurückliegenden "Skandal" abgegeben?
– Wieso hat sich der AStA bisher nicht oder mindestens nicht
wahrnehmbar, wie mehrfach vom Studierendenparlament beschlossen, in das
Bündnis "Lernfabriken meutern...!" eingebracht und entsprechend
hartnäckig versucht, Basisgruppen für einen zukünftigen Bildungsprotest
mit zu initiieren?
– Warum hat die Studierendenschaft, wie vom Studierendenparlament
beschlossen, nicht den Aufruf zum diesjährigen Frauen*kampftag am 08.03.
unterschrieben, um damit ihrer Solidarität mit der progressiven
feministischen Bewegung Ausdruck zu verleihen?
All diese Fragen machen nicht nur ein Abdriften ins unpolitische
Jenseits, wie die bereits anhaltende schleichende Etablierung eines (wie
auch immer definierten) "Service-AStA", also einer reinen "Verwaltung"
der AStA-Räumlichkeiten mit augenscheinlich teils ziemlich planlos
arbeitenden Referent*innen ohne konkrete Vorstellungen des "wofür"
deutlich. Für uns und unsere aktiven Mitglieder kam ein solcher Zustand
nie in Frage. Dies weißt auf eine inzwischen unabweisbare Missachtung
demokratischer Prinzipien durch die völlige Untätigkeit der
AStA-Koalition hin.
Eine Institution, die sich die Vertretung der Interessen der gesamten
Studierendenschaft auf die Fahnen schreibt, sollte jene
Herausforderungen doch zumindest anzunehmen versuchen. Dazu gehört stets
auch, das Steuer heraus aus internen Streitigkeiten, hinein in die
gesellschaftlich und hochschulpolitisch relevanten Konflikte zu lenken.
Der Kurs scheint jedoch derzeit ein anderer zu sein: Im Februar erfolgte
der Rücktritt eines AStA-Vorstandes, der offenbar im Zusammenhang mit
persönlichen Streitigkeiten, weniger aber mit politischen
Meinungsverschiedenheiten stattfand. Eine Nachwahl hat indes immer noch
nicht stattgefunden. Vor diesemem Hintergrund, einer fast gänzlichen
Reduktion der öffentlichen Präsenz auf Facebook und Streitigkeiten, die
den Beteiligten zusehends die Lust zur Teilhabe und aktiver
Partizipation am politischen Geschehen nehmen, wird eine adäquate
Interessenvertretung der Marburger Studierendenschaft durch den AStA
derzeit kaum mehr gewährleistet.
Das Selbstverständnis einer politisch agierenden und intervenierenden
Studierendenschaft, das wir in vielen Köpfen – auch der derzeitigen
Koaltion – bisher nicht gänzlich verloren glaubten, wollten wir auf
besagter entfallender Sitzung des Studierendenparlaments, nach vielen
vorhergehend gescheiterten Versuchen, das Studierendenparlament wieder
zu einem Raum des politischen Austauschs und der Diskussion zu machen,
mit einem eigens eingereichten Antrag in Erinnerung rufen und mit allen
Parlamentarier*innen diskutieren. Denn nur eine wahllistenübergeifende
Verständigung darüber, warum wir dort einmal im Monat freiwillig
stundenlang plenieren, kann letztlich den Versuch eines gemeinsamen
Ziehens am gleichen Strang wieder in den Mittelpunkt rücken. Wie auch
mit unserem dringenden Aufruf zu Protesten gegen die seinerzeit
anstehende Veranstaltung der AfD-Bundespartei in Gladenbach machte uns
dabei die offensichtliche Unwilligkeit zur Auseinandersetzung und zum
politischen Handeln selbst jedoch einmal mehr einen Strich durch die
Rechnung.
Fragen von anscheinend bundesweiter Bedeutung – siehe den Artikel von
Christian Ketteler vom 29.März in der "Jungle World" – wirft die Absage
der vom Autonomen InterTrans*-Referat organisierten Veranstaltung mit
Till Amelung auf. Wir fordern Aufklärung, warum diese Veranstaltung
abgesagt worden ist und warum die Gründe dem Referenten nicht
kommuniziert wurden. Wir wünschen uns generell einen demokratischen,
transparenten und solidarischen Umgang innerhalb der Studierendenschaft,
gerade auch in Fragen der Minority Rights.
Wir hoffen sehr, dass die nächste Sitzung wieder beschussfähig sein wird
und sich die AStA-Koalition endlich wieder mehr den für viele
Studierenden dringenden politischen Fragen widmet, für deren Bearbeitung
die betreffenden Parlamentarier*innen und AStA-Mitglieder schließlich
auch in demokratischen Wahlen mandatiert wurden!